Buchcover Auf zwei Rädern ins Morgenland
Niels Kendziorra

Auf zwei Rädern ins Morgenland

Eine Reise von Berlin nach Ägypten

ISBN: 978-3-941883-66-6


20 x 14 x 2
Softcover
400 Seiten
Deutsch
1. Auflage 2012
18,90

Auf zwei Rädern ins Morgenland



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Inhalt

Berlin: 7000 Kilometer mit dem Fahrrad von Berlin nach Scharm el Scheich: Das ist das außergewöhnliche Ergebnis der Reise von Niels Kendziorra. Der pensionierte Vermessungsingenieur verließ für fast sechs Monate seine Familie, um sich einen Traum zu erfüllen: mit dem Fahrrad vom Okzident in den Orient zu fahren. In seinem Reisetagebuch beschreibt er nicht nur persönliche Erlebnisse während seiner Tour, sondern nimmt den Leser auch mit auf eine historische und zeitgenössische Reise durch die vielfältige Geschichte Europas und des Nahen Ostens.

Am 10. Mai 2010 beginnt seine Reise in Königs Wusterhausen in der Nähe von Berlin bei frischen 15 °C und auf gut ausgebauten Radwegen. Doch bald ändern sich diese angenehmen Rahmenbedingungen: Hitze und Regen, steile Berge und trockene Steppen werden zur Herausforderung. Der Kampf um eine passende Unterkunft und Mahlzeit, der Kampf mit dem Fahrrad und der eigenen Motivation beginnt.

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Auszug

Von der Vorfreude

„Warum machst du das?“, „Warum ausgerechnet diese Länder?“, „Warum mit dem Fahrrad?“, „Warum allein?“, das fragten mich nicht nur Freunde und Kollegen, sondern auch Fremde vor, während und nach meiner Reise.
Insbesondere auf die erste Frage weiß ich bis heute keine schlüssige Antwort und habe sie mir auch nie selbst gestellt.
Ganz sicher scheiden Einzelmotive aus: Es sollte keine sportliche Leistung, vergleichbar einer persönlichen
„Tour de France“ werden. Ich wollte auch keine meditative „Reise zu mir selbst“ machen, um auf mein Leben
zurückzuschauen. Das Interesse für Geografie und Geschichte sowie den Wunsch, Länder und Leute kennen zu lernen, kann ich nicht leugnen, sie scheiden aber als dominierende Einzelmotive ebenso aus wie inspirierende
Reiseberichte anderer Radfahrer.

Was war es dann? Bereits als Kind faszinierten mich Atlanten, Bücher über Entdeckungsreisen, historische Eroberungszüge, Bergbesteigungen und dergleichen. Mit zunehmendem Alter und zunehmenden Möglichkeiten besuchte ich in den knapp 30 Jahren bis zur Wende alle osteuropäischen Länder, die mir zugänglich waren; überwiegend per Anhalter, am liebsten wanderte ich aber durch die Gebirge. Seit 1990 versuche ich mit gleich bleibendem Eifer, den großen „Rest“ der Welt zu erkunden. Unfertige Pläne über eine lange Reise nach dem Eintritt in das Rentenalter kreisten seit meinem 60. Geburtstag in meinem Kopf; dem Zeitpunkt, ab dem ich unbegrenzt über meine Zeit verfügen könnte, woran es durch die tägliche Arbeit und die familiären Verpflichtungen immer gefehlt hatte. Wichtig war mir also gar nicht so sehr das genaue Ziel, aber die Wichtigkeit einer interessanten und vor allem langen Tour stand für mich bald außer Zweifel.

So begann ich, meine Frau mit immer neuen Ideen zu nerven: „Nach meinem 65. Geburtstag möchte ich vom
Nordkap nach Sizilien fahren!“ oder „Ich werde mir einen langen Frühling verschaffen: Er breitet sich täglich 30 km nach Norden aus, so kann ich ihm von Portugal aus bis nach Deutschland folgen“ oder „Ich könnte vom Nordkap durch Russland zum Schwarzen Meer radeln“, „Die Seidenstraße wäre doch ein fantastisches Projekt?“ oder „Das Schwarze Meer will ich umrunden…“. Für kleinere Radtouren durch Europa, die sich in ein bis zwei Urlaubswochen absolvieren lassen, ist meine Frau immer gern zu haben. Meine neuen Projekte hielt sie jedoch schlicht für gefährlich und beurteilte sie skeptisch bis ablehnend.
Jede neue Idee hatte grobe Überlegungen zur Folge, wie man sie umsetzen könnte, welche Zeit sie in Anspruch
nehmen würde, welche Kosten sie verursachen, welche Interessen neben dem Besichtigen von Landschaften und Städten befriedigt werden könnten und was von der Ausgestaltung der einzelnen Tage zu erwarten wäre. Dabei wiesen die meisten Pläne bereits Probleme auf. Zum Beispiel Norwegen: Ich bemerkte, dass ich hier nicht ausschließen konnte, zwei Drittel der Strecke von 3.000 km im Regen radeln zu müssen. Das Projekt, von Portugal aus dem Frühling nach Norden zu folgen, fiel der Begrenztheit meiner Ersparnisse zum Opfer. Als ehemaliger DDR-Bürger, der sich noch mit 47 Jahren mit Rücklagen in Höhe einer schwarzen Null eine neue Arbeit suchen musste, hatte ich hier kaum etwas vorzuweisen. Die meisten Länder Westeuropas kannte ich außerdem bereits.

Auf diese Weise filterte ich eine Idee nach der anderen aus und eine Route von meinem Zuhause in Berlin rund
um das Schwarze Meer verfestigte sich. Die Dichte an historischen Orten und Ereignissen in dieser Gegend und die Tatsache, dass man diese Ereignisse oft nicht als geografische oder historische Punkte verorten kann, sondern als Linien oder Flächen, wie etwa die Eroberungszüge der Perserkönige Xerxes und Dareios oder des Makedoniers Alexanders des Großen, faszinierte mich. Auf einer Reise durch diese Gebiete würde ich die Kreuzzüge, die Ausdehnung des Machtbereichs der Seldschuken und der Osmanen oder die Wege der Apostel bei der Ausbreitung des Christentums mit meiner eigenen Bewegungen in Beziehung setzen können und somit einen Eindruck von den gewaltigen Strapazen und den Schicksalen der Menschen erhalten.
Obwohl ich meine Vorfreude genoss, hätte ich nie vorzeitig meine Arbeit aufgeben wollen. Mein Rentenanspruch vergrößerte sich in den letzten Arbeitsjahren kaum noch, aber den vielen Modellen zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit, mit denen sich viele meiner Kollegen vorzeitig verabschiedeten, stand und stehe ich verständnislos gegenüber. Lieber blickte ich einem festen Zeitpunkt entgegen, zu dem meine Pflicht erfüllt sein würde und nach dem ich mich guten Gewissens anderen Dingen widmen könnte, die bisher wegen der Arbeit im Hintergrund gestanden hatten. Mein Beruf als Vermessungsfachmann hat mir überwiegend Befriedigung und ein hohes Maß an Abwechslung und persönlicher Freiheit bei der Berufsausübung verschafft, aber durch die Entwicklung der Branche war auch ein guter Zeitpunkt für den Renteneintritt gekommen.
Ein Artikel von Johannes Willms, den ich während meiner Reise in der Zeitung las, kommt meiner Vorstellung
vom Reisen und der Vorfreude sehr nahe: „Die Erwartung ist der wesentliche Teil des Genusses, der, wenn er sich denn einstellt, seine verzaubernde Wirkung nur für einen flüchtigen Moment entfaltet. Sich über erlebte Genüsse mitzuteilen, ist eine Möglichkeit, die Flüchtigkeit zu überlisten, indem man sie in der Erinnerung wieder beschwört
(…) Die Ursache dafür ist, dass das über den Genuss entscheidende Erlebnis eben jener kurzer Moment
ist, in dem man das Empfinden hat, mit sich selbst zu beglückender harmonischer Übereinstimmung zu kommen
(…) Jedem Genuss ist ein Überschuss, ein Verlangen nach mehr zu eigen, das sich nicht befriedigen lässt. Diese
Verweigerung muss der Genießer aber akzeptieren, denn sie ist ebenso konstitutiv für das Genusserlebnis wie dessen Flüchtigkeit.“ Willms fährt mit Epikur fort: „Was ihm vorschwebte, ist nicht der schrankenlose Hedonismus, sich alle Genüsse sofort verschaffen zu können, sondern die rücksichtsvolle Bescheidung bei der Erfüllung des Lustgenusses als Königsweg dazu, am eigenen Leben zum Künstler zu werden.“ 1

Mir ist wichtig, dass sich bei einer Reise oder bei der Besteigung eines Berges das schöne Gefühl hinzugesellt, den erreichten Genuss, wie immer er auch aussehen mag, mit meiner eigenen Leistung und nicht nur mit dem Herzeigen
einer Plastikkarte verdient zu haben.

1 Johannes Willms: „Echo der Erinnerung“, in: Süddeutsche Zeitung vom 20.08.2010.

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